Elternhaus Baumhof 1952 – 1981

……für familienlose Kinder

                                                       

                                                       

Ilse und Werner

Am 15. Juni 1911 wurde Werner Stoltenhoff im rheinischen Oberkirchen (nahe der holländischen Grenze) geboren. Nach dem Abitur studierte er in Bethel und Bonn Theologie , ab 1934 dann Studium an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin, mit Abschluss in 1938. 1939 heiratete er in Berlin Ilse von Stackelberg . Im 1939 beginnenden Krieg war er an der Westfront in Belgien und Nordfrankreich im Einsatz und nahm 1941 am Afrika-Feldzug teil. Von dort kehrte er 1942 erkrankt nach Deutschland zurück. Ab 1943 war er Soldat in Russland. Nach Verwundungen geriet er 1945 in amerikanische Gefangenschaft und kam dann über Treysa nach Ehringen.

Am 24. Mai 1912 wurde Ilse von Stackelberg in Reval (Estland) geboren. Nach dem 1. Weltkrieg wurde ihre Familie aus dem Baltikum vertrieben und lebte ab 1920 in der Elbinger Niederung im Dorf Kronsnest (Ostpreußen). 1926 kehrte die Familie kurz nach Estland zurück und zog anschließend nach Düsseldorf-Kaiserswerth. Nach dem Abitur studierte Ilse ab 1932 „Deutsch und Geschichte der evangelischen Religion“ in Neumünster .

Werner und Ilse lernten sich 1938 bei einer Hochzeit in Bethel kennen. Sie heirateten 1939 in Berlin. 1945 musste Ilse mit ihren beiden Töchtern Herlinde (geb. 1941 in Berlin) und Heike (geb. 1944 in Elbing, Ostpreußen) vor den einmarschierenden russischen Truppen fliehen und kam dann über Treysa nach Ehringen.

Ilse und Werner

Arbeit und Leben in Ehringen:

Hermann Siebert (Zeddies) und Werner Stoltenhoff waren Cousins. Berta Auguste Stoltenhoff (Schwester von Werner Stoltenhoffs Vater) war mit Heinrich Siebert (OSB Ehringen Nr. 2036, Lehrer in Treysa) verheiratet. Heinrich Sieberts verstorbener Bruder Julius und seine Frau Mariechen waren kinderlos und hatten ihren Hof in Ehringen an Heinrichs Sohn Hermann Siebert (OSB Ehringen Nr. 2064) übergeben.

Am 15.08.1945 siedelten Werner, Ilse, Herlinde und Heike nach Ehringen über. Sie bezogen Hermanns Haus am Steenweg. Werner arbeitete zunächst bei Vetter Hermann als Helfer in der Landwirtschaft. Er erwarb sich in dieser Zeit außerdem Fachkenntnisse im Pflanzen und Schneiden von Bäumen und Sträuchern, machte außerdem noch eine Schreinerlehre in einer Volkmarser Möbelfabrik und legte die Facharbeiterprüfung ab.

Nach schwerer Krankheit in 1949 und langer Erholungsphase reifte um 1950 in Ilse und Werner Stoltenhoff der Wunsch, soziale Aufgaben im Jugendbereich zu übernehmen. Geprägt vom christlichen Elternhaus und der NS-Zeit mit deren verheerenden Folgen entschloss sich Werner, gemeinsam mit seiner Frau, den Wehrlosen, den Kriegs- und Nachkriegskindern ein Zuhause zu geben.

Elternhaus Baumhof für familienlose Kinder

Anfang 1952 wurde die Betreuung von 4 familienlosen Berliner Kindern übernommen, ein Grundstück am Fuße des Großen Rönnenberges gekauft und Gelder zum Bau eines entsprechenden Hauses beantragt. Unter dem Dach des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes wurde mit alten Freunden und neuen aus dem Dorf am 19.07.1952 der gemeinnützige Verein „Elternhaus Baumhof“ gegründet.

Wegen der beengten Wohnverhältnisse am Steenweg, wurde am 31.8.1953 mit fünf Kindern, zu denen bald 6 neue stießen, in das noch unfertige Haus am „Großen Rönnenberg“ an der Erpe in Ehringen (Wiesenweg Nr. 14) übergesiedelt.

Der Baumhof, der von Stoltenhoffs liebevoll „Hüseken“ genannt wurde, war auf einer ehemaligen Schuttabladestelle an einem stillgelegten Steinbruch gebaut worden und entwickelte sich in jahrelanger, mühsamer Arbeit in ein blühendes Gelände mit Hanggärten.

1966 wurde der Baumhof als Heim anerkannt und durfte Praktikanten und Praktikantinnen ausbilden, gewissermaßen als ältere Geschwister, und somit ein Zuhause für elternlose Kinder sein. In diesem Jahr erwarb der Verein auf Anregung des Landesjugendamtes Hessen das schmale Grundstück südlich hinter dem „Hüseken“ und baute mit angesparten Spendengeldern das Haus „Hutung“ (Wiesenweg Nr. 16), das in 1969 u.a. auch von Heike und Rainer Erythropel bezogen wurde.

Nachfolgend eine Aufzählung von Heimkindern, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat.

Heimkinder: Günter und Bernd Standfuß, Manfred Rudeck, Volker Kilian, Dieter Polaniok, Werner Krüger, Ute Wessel, Dörte Isemann, Peter Mehl, Klaus Petkus,Gerhard Bader, Karl Pöhle, Ria und Jörg Schild von Spannenberg, Gero von Malotki, Joachim Busch, Birgit Löser, Sabine und Gabriele Martin, Karin, Peter und Jürgen Brandt, Ralf, Marika und Michael Leupold, Rainer Erythropel, Günther Neumann, Fritz Rest, Reinhard Gogrefe, Wolfgang Molnar, Bernd Hünger, Regine und Marianne Weiss; Lothar Schütte, Karl-Heinz, Werner und Gerhard Weinmeister, Thomas Kliebisch, Friedhelm Rimmler, Thomas Zuschlag, Volker Schrader, Samuel Rodriges, Christian Heilmann, Gerd Winzer, Carl Arthur Pongs, Hasso Hasbach, Dieter Jaster, Dieter Steffen und Gerhard Herrmann (zeitlich ungeordnet)

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen : Ilse Deuermeier, Elisabeth Ise, Erika Nordmeier, Ingrid Hoppe, Martha Wolf, Ingrid Winning, Marie Böddicker, Erika Kuhaupt, Hanna Diegel, Annemarie Düster, Magdalene Wacker, Gertrud Keim, Marga Kuhaupt, Ilselore Wetzel, Ralf Bärmann, Waltraud Krug, Hilde Fornefeldt und Dina Möller (zeitlich ungeordnet)

In fast 30 Jahren war der „Baumhof“ für über 60 Kinder ein Zuhause. Ab 1976 wurden keine Kinder mehr aufgenommen und ab 1981 ruhte die segensreiche Arbeit.

Nach der Auflösung des Vereines „Elternhaus Baumhof“ wurde das Haus „Hutung“ (jetzt Familie Rot) verkauft und der Verkaufserlös für den Bau eines Hauses im SOS-Kinderdorf in Guatemala verwendet.

Am 17. April 1990 starb Werner Stoltenhoff (Heimvatter). Als anonyme Beerdigungsmöglichkeit hatte das Ehepaar in 1988 das Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität in Marburg ausgewählt.

Ilse Stoltenhoff zog in 1991 zu ihren Töchtern Herlinde und Heike nach Schauenburg-Firnsbachtal. Im Mai 1992 fand, zur Erinnerung an Heimvatter und zum 80. Geburtstag von Heimmutter, ein großes Treffen mit Baumhofskindern und ehemaligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im altvertrauten „Hüseken“ statt.

Im August 2003 gab es noch ein Treffen mit Heimmutter (91 J.), Ehemaligen und Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei „Gretel“ in der „Stadt Landsberg“ anlässslich  des 50-jährigen Jubiläums des „Baumhofs“, der dann auch noch einmal besucht wurde. Am 24.April 2004 verstarb Ilse Stoltenhoff.

Das „Hüseken“ wird jetzt von den Familien Hitschke und Dienemann bewohnt.

Quellen: „Auf weiten Wegen mit Werner Stoltenhoff“ von Ilse Stoltenhoff geb. von Stackelberg und Heike und Rainer Erythropel.